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12. April 2016

OptiMedium April 2016

Wie sieht die erste Förderbekanntmachung für den Innovationsfonds aus? Warum können Kinzigtaler Ärzte ihre Vergütung zukünftig selbst bestimmen? Wieso schielen Schweizer Ärzte in den Schwarzwald? Und wie gestaltet sich die IT-Vernetzung von Pflege und Hausarztpraxen im Kinzigtal? Die Antworten darauf und vieles mehr lesen Sie in unserem aktuellen Newsletter.


Schweizer Ärzte schauen in den Schwarzwald

Dr. Michael DeppelerDr. Michael DeppelerDr. Michael Deppeler, Hausarzt in Zollikofen im Schweizer Kanton Bern, und seine Mitstreiter wollen die Gesundheitsversorgung im Kreis Grauholz nach Kinzigtaler Vorbild umgestalten. Die Schweizer Ärzte hatten den Kinzigtaler Hausarzt und MQNK-Vorsitzenden Martin Wetzel vor Kurzem eingeladen, um sich ein genaueres Bild von dem innovativen Versorgungssystem im Schwarzwald zu machen. Er berichtete beim Anlass von dialog-gesundheit Schweiz vor gut 150 Ärzten, Bewohnern und Patienten sowie anderen Akteuren aus dem Gesundheitswesen über die Integrierte Versorgung im Kinzigtal. Entsteht also demnächst ein „Gesundes Grauholz“ nach Kinzigtaler Vorbild in der Schweiz? Ein Grund für das OptiMedium bei Dr. Michael Deppeler nachzufragen.

Was finden Sie so reizvoll an dem Kinzigtaler Modell?

In erster Linie das veränderte Menschenbild und die neue Sichtweise: weg von der defizitorientierten Medizin in Richtung Gesundheitskompetenz und Empowerment sowie geteilter Verantwortung der verschiedenen Partner. Partizipation der Patienten als Basis, so wie wir das mit „dialog-gesundheit“ seit über zehn Jahren leben. Die Langzeitperspektive: weg vom Projekt hin zum Prozessdenken.

Was versprechen Sie sich von der Neugestaltung der Versorgung?

Ein echtes Empowerment, das beim Bewusstseinsprozess über Macht beginnt und bei nachhaltigen sozialen und politischen Veränderungen endet. Das bedeutet eine integrierte kommunale Grundversorgung, wo die health profis und die Versicherungen nicht mehr Gegner und Konkurrenten sind, sondern Partner, die sich für einen gemeinsamen Sinn einsetzen – das Wohl der gesamten Bevölkerung. Das Denken beginnt vor dem „Kranksein und werden“: Bildung und Gesundheitswesen müssen zusammenwachsen. Die Bildung ist eine tragende Säule dieses Denkens.

Wie weit sind Ihre Vorarbeiten zum Aufbau eines solchen Modells?

Wir hatten diese Woche die erste Kerngruppensitzung und planen nächste Woche eine Klausursitzung, wo wir Vision, Konzept und erste Schwerpunkte festlegen werden. OptiMedis wird hoffentlich ein wichtiger Partner sein; die bisherige Kooperation war sehr ermutigend und hilfreich. Einige Versicherungen und die Politik warten gespannt auf erste konkrete Schritte. Unser Ziel ist eine gemeinsame Basis zu schaffen, auch an Werten und sinnstiftenden Visionen, welche sowohl von der Bevölkerung, den Profis sowie der Politik verstanden wird.

Welche Hindernisse sind noch aus dem Weg zu räumen?

In Zollikofen leben wir „im Speckgürtel“ von Bern und die Angebote sind überdurchschnittlich groß. Hier besteht eine gewisse Sorge, dass bestehende Programme plötzlich nicht mehr gleich gut wahrgenommen würden. Wir möchten darum in erster Linie die bestehenden Angebote, wie beispielsweise EVIVO-Selbstmanagementkurse oder das Gesundheitscoaching, besser vernetzen und bekannt machen und – wie im Kinzigtal – neue Programme, die den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechen, dazu nehmen, wie beispielsweise die bessere Erreichbarkeit der Hausärzte, aber auch Programme für psychische Krisen.

Der drohende Hausärztemangel, aber auch die fehlenden Ressourcen in der Pflege machen sich bemerkbar. Viele Hausarztpraxen haben einen Aufnahmestopp. Hier ist die Nachwuchsförderung ein großes Thema. Wir versprechen uns von attraktiven Modellen wie dem „Gesunden Grauholz“ ebenfalls innovative und kreative Lösungen. Erfahrungsgemäß braucht es bei den Hausärzten besonders viel Motivationsarbeit, damit sie „ins größere Boot“ einsteigen, obwohl sie viel Kraft beim Rudern brauchen.

Wann könnte „Gesundes Grauholz“ an den Start gehen?

Mit „dialog-gesundheit“ haben wir sehr viel Erfahrung mit bottom up-Prozessen. Herr Wetzel hat über ähnliche Zeiträume berichtet, wie wir beobachten. Für die Projektphase inklusive Anschubfinanzierung rechnen wir mit knapp zwei Jahren, dann wird sich zeigen, ob unsere Vision genügend Wurzeln hat, dass die ersten neuen farbigen Blumen und Bäume im Grauholz weiterwachsen werden.

Wir danken Ihnen für das Gespräch, Herr Dr. Deppeler.