Arzneimittelkonsil Leinetal
Das Gesundheitsnetz Leinetal hat ein Arzneimittelkonsil zur verbesserten Medikamentenversorgung älterer Patienten etabliert. Das aus Haus- und Fachärzten bestehende Konsil besteht sein nunmehr einem Jahr. Aus diesem Anlass besuchte der Vorsitzende der KV Niedersachsen, Mark Barjenbruch, die letzte Konsilsitzung Anfang Dezember in Garbsen. Die KVN unterstützt das Projekt im Rahmen ihrer Praxisnetzförderung seit Ende 2014. Mark Barjenbruch zeigte sich vor den gut 25 Teilnehmern beeindruckt von der guten Resonanz auf das Konsil und der lebhaften fachlichen Diskussion. Mit den Fördermitteln hätten die Ärztinnen und Ärzte sinnvolle Strukturen im Leinetal aufgebaut, betonte er.
Das Konsil unter Leitung des Pharmakologen Prof. Dr. Martin Wehling von der Universität Heidelberg behandelt je Sitzung ein Schwerpunktthema zur Polypharmakotherapie bei älteren Patienten. Diese haben häufig mehrere Diagnosen und werden unabhängig voneinander nach der jeweiligen Leitlinie therapiert, was häufig zu unerwünschten Arzneimittelunverträglichkeiten führt. Die Themen der bisherigen Konsile, die auf Vorschlag der Ärzte behandelt werden, waren unter anderem der Einsatz von Protonenpumpenhemmer und von psychotropen Substanzen sowie die Prävention von cerebrovaskulären Ereignissen – neue Antikoagulantien (NOAK).
Die Ärzte des Gesundheitsnetzes haben vor jeder Sitzung die Gelegenheit, Fallbeispiele zu dem jeweiligen Schwerpunktthema oder zu anderen Fragestellungen an Prof. Wehling zu senden. Dieser behandelt dann in seinem Eingangsvortrag zunächst ein Schwerpunktthema der Arzneimitteltherapie und stellt die aktuelle wissenschaftliche Daten- und Studienlage dar. Er beleuchtet dabei, für welche Indikationen eine Therapie geeignet ist oder welche Risiken diese birgt. Im Anschluss daran werden die konkreten Einzelfälle aus dem Praxisalltag vorgestellt und behandelt. Die Bewertung erfolgt anhand des von Prof. Wehling entwickelten FORTA-Konzepts (Fit for the Aged). Es handelt sich dabei um die erste Positiv-/Negativliste, die die Arzneimitteltherapie bei älteren Patienten nach den jeweiligen Erkrankungen ausrichtet und zu einer Priorisierung führt. FORTA klassifiziert Medikamente je Indikation nach ihrem nachgewiesenen Nutzen in vier Kategorien. In der höchsten Kategorie ist der Nutzen im Alter belegt, in der niedrigsten Kategorie sollte der Wirkstoff vermieden werden. Mithilfe dieses Ansatzes zur Rationalisierung der Pharmakotherapie kann die Qualität der Arzneimittelversorgung bei Älteren nachweislich verbessert werden. Eine soeben publizierte Validierungsstudie belegt, dass mithilfe der FORTA-Liste beispielsweise die unnötige Gabe von Protonenpumpenhemmern 2,4-mal häufiger als in der Vergleichsgruppe beendet wurde.i
Die Ärzte – und dabei insbesondere die Hausärzte – im Leinetal erhalten durch das Konsil praktische Handlungsanleitungen für Ihren Praxisalltag. Die Leinetaler Ärzte sehen den Mehrwert für sich und ihre Patienten darin, dass das Konsil ein Scharnier zwischen wissenschaftlicher Evidenz und ihrer Berufspraxis ist.
i Wehling et al. VALFORTA – a Randomized Trial to Validate the FORTA (“Fit fOR The Aged”) Classification. Age and Ageing 2015 in press