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21. Dezember 2016

OptiMedium Dezember 2016

In dieser Ausgabe lesen Sie u. a., wie es mit unserem vom Innovationsfonds geförderten Projekt INVEST Billstedt/Horn weitergeht und warum die Ärzte im Leinetal das Arzneimittelkonsil fortführen wollen. Außerdem befassen wir uns mit zwei politischen Initiativen zur Stärkung der Kompetenzen der Kommunen in der Gesundheitsversorgung und berichten über die Entwicklung von Performance Management-Systemen in den USA.


Internationales

Performance Management in Accountable Care Organizations: Erkenntnisse aus einem Harkness Fellowship in den USA

Alexander Pimperl 279x372Dr. Alexander Pimperl, Head of Finance & Business IntelligenceDr. Alexander Pimperl (siehe Foto rechts) ist nach seinem einjährigen Harkness Fellowship in den USA wieder bei der OptiMedis AG. Seit dem 1. Oktober 2016 leitet er den Bereich Finance & Business Intelligence.

Das Harkness Fellowship in Health Care Policy and Practice des Commonwealth Fund ist eines der begehrtesten und prestigeträchtigsten Stipendien im Gesundheitswesen. Das Programm ermöglicht tiefe Einblicke in das amerikanische Gesundheitswesen und bietet herausragende Vernetzungsmöglichkeiten mit Experten aus aller Welt. Für ein Jahr hat Alexander Pimperl insbesondere an der University of California, Berkeley gemeinsam mit Prof. Hector Rodriguez, Prof. Steven Shortell (UC Berkeley) und Dr. Julie Schmittdiel (Kaiser Permanente) an dem Thema “Performance Management in Accountable Care Organizations in the U.S. and Germany: From external reporting requirements to enabling internal performance management in physician practices” gearbeitet.

Performance Management-Systeme (PMSYS) sind essentielle Instrumente zur Verbesserung der Qualität und Effizienz von Organisationen im Gesundheitswesen. Ein PMSYS beinhaltet das Set an Kennzahlen zur Quantifizierung der Performance sowie alle Prozesse, die mit der Nutzung und Verbesserung dieser Kennzahlen verbunden sind (z. B. Feedbackberichte, Peer Reviews, Decision Support-Systeme). Einen besonderen Stellenwert erlangen PMSYS im Zusammenhang mit Accountable Care Organizations (ACO) und den zugehörigen Arztpraxen. Denn ACO sind Netzwerke von Leistungserbringern in den USA, die – ähnlich wie Gesundes Kinzigtal – für die Erreichung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im Bereich definierter Populationen vergütet werden. Bisher gibt es nur unzureichende Informationen zu dem Umfang der Implementierung von PMSYS und den Einflussfaktoren der Entwicklung und Implementierung. Zusätzlich existiert – obwohl Performancemessung als Kernelement von ACO betrachtet und auch extern incentiviert wird – nur ein spärliches Wissen über das Zusammenspiel von externen Reportinganforderungen und internen PMSYS.

Performance Management Systeme in US-Praxen nur wenig entwickelt

Die Studie von Pimperl et al., die auf der Analyse einer national repräsentativen Fragebogenerhebung von US-Praxen basiert, zeigt, dass PMSYS von US-Arztpraxen eine geringe Entwicklungsstufe aufweisen. Im Durchschnitt erreichten Arztpraxen weniger als ein Drittel der möglichen Punkte auf einem Composite PMSYS-Index. Sogar ACO-Arztpraxen nutzen im Durchschnitt nur etwas mehr als die Hälfte aller PMSYS-Prozesse – trotz der Notwendigkeit von Performance Measurement und Management in diesen Organisationen –, um Shared Savings und Qualitätsziele zu erreichen. Darüber hinaus hatten auch die vier untersuchten Best-Practices Schwierigkeiten mit manchen essentiellen PMSYS-Features wie etwa der Sicherstellung eines zeitnahem Feedbacks an alle relevanten Stakeholder. Diese Ergebnisse zeigen, dass das Umsetzungsniveau noch beträchtlichen Raum für Verbesserungen zulässt.

Sowohl externe Anreize als auch organisatorische Ressourcen können die Implementierung von internen PMSYS unterstützen. Zum einen war die Teilnahme an ACO selbst eines der stärksten Unterscheidungsmerkmale von Arztpraxen mit hoch vs. gering entwickelten PMSYS in der quantitativen Analyse der national repräsentativen Fragebogenerhebung von US-Praxen. Zusätzliche begünstigende Faktoren für die Implementierung von Performance Management-Strukturen und -prozessen waren: die Teilnahme in anderen Netzwerkformen wie z. B. Independent Physician Associations (IPA) oder Physician Hospital Organizations (PHO), größere externe Anreize (z. B. externe Evaluation durch Krankenkassen oder andere Institutionen, Bereitstellung von Daten durch Krankenkassen), bessere Health-IT-Funktionalität (HIT) sowie die Nutzung von elektronischen Chronikerregistern. Pay for Performance (P4P) und Public Reporting waren nur signifikant positiv assoziiert mit einer besseren PMSYS-IT-Integration und mit keinen anderen Subkomponenten von PMSYS. Eine Folgerung daraus ist, dass P4P und Public Reporting die technische Implementierung von Prozessen zur Erfüllung externer (Vergütungs-)Anforderungen anreizen können. Allerdings können sie nicht die notwendigen kulturellen Veränderungen schaffen, um Performancemessung und kontinuierliche Verbesserung zu einem integralen Bestandteil der Organisationskultur zu machen. Diese Ergebnisse wurden auch durch die ACO Case Studies untermauert.

Stärkerer Fokus auf populationsorientierte Modelle nötig

Pimperl et al. empfehlen, dass zur Priorisierung von internen PMSYS-Bestrebungen, komplexe externe Anforderungen vereinfacht werden sollten. Hierbei sei die Harmonisierung von Kennzahlen und anderen Anforderungen von Kostenträgern oder externen Institutionen wichtig. Unnötige, hinfällige Ansprüche müssten identifiziert und eliminiert werden, um Ressourcen für internes Performance Measurement und Management freizumachen.

Überdies werden ACO und andere Netzwerke in den US momentan dazu angereizt, unterentwickelte Arztpraxen auszuschließen, da deren auf Value basierende Vergütungsmodelle im Generellen auf eingeschriebene oder arztbezogene Populationsmodelle abstellen. Ein stärkerer Fokus auf populationsorientierte Modelle für ganze Regionen wie etwa Accountable Care Communities oder die regionale Integrierte Versorgung Gesundes Kinzigtal könnte eine Möglichkeit bieten, diese Netzwerke in geeigneter Weise finanziell zu incentivieren, auch unterentwickelte Arztpraxen in der Region einzuschließen und ihre existierende Systeminfrastruktur wirksam zur Verbesserung der PMSYS dieser Praxen einzusetzen. Darüber hinaus gibt es in den USA weiterhin politische Initiativen zur Unterstützung der Implementierung und Nutzung von HIT und elektronischen Chronikerregistern wie die CMS Clinical Practice Transformation-Initiative für Arztpraxen, die nicht über die Ressourcen verfügen, dies durch andere Mittel zu implementieren.

Ergebnisse bedeutend auch für das deutsche Gesundheitssystem

Alexander Pimperl hebt hervor, dass die Ergebnisse aus den USA auch für Deutschland bedeutende gesundheitspolitische Implikationen haben. In Deutschland sind externe finanzielle und nicht-finanzielle Performance Measurement Anforderungen im Vergleich zu den USA noch in einem frühen Stadium. Bei der Weiterentwicklung dieser Systeme muss behutsam vorgegangen werden, um Leistungserbringer nicht zu überfordern. Wie die Ergebnisse aus den USA andeuten, kann ein hohe Belastung durch externe Performance Measurement- und P4P-Anforderungen mit Ressourcen für interne PMSYS konkurrieren. Die richtige Balance zwischen dem Umfang externer Anforderungen und interner Ressourcen, um auf diese reagieren zu können, sowie die geeignete Ebene für solche Anreize (Netzwerkebene vs. individuelle Arztpraxen), müssen berücksichtigt werden. Politische Initiativen könnten interne Ressourcen durch eine Förderung regional populationsorientierter ACO und HIT stärken.