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20. Juli 2015

OptiMedium Juli 2015

In dieser Ausgabe des OptiMediums beschäftigen wir uns schwerpunktmäßig mit der Frage nach der Finanzierung innovativer Versorgungskonzepte - z. B. durch Förderprogramme. Außerdem: "Erste Ergebnisse zur gesundheitsfördernden Stadtteilentwicklung in Hamburg" und "„Psychotherapie Akut“ verhindert Krankenhausaufenthalte".


Aus Politik und Verbänden

Versorgungsstärkungsgesetz verabschiedet – neue Impulse für die IV?

Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) hat – nachdem es bereits im Juni vom Bundestag beschlossen worden war – jetzt auch die letzte parlamentarische Hürde genommen und wurde am 10. Juli vom Bundesrat angenommen. Wir hatten uns bereits in unserer November-Ausgabe des OptiMediums intensiv mit dem GKV-VSG beschäftigt. Welche Neuerungen sind nun aber im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens in das Gesetz hineingekommen? Und kann das GKV-VSG dazu beitragen, innovativen Versorgungsformen neue Impulse zu geben?

Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen im Bundestag wurde der in dem Gesetzentwurf vorgesehene Innovationsfonds allerdings noch wesentlich verändert. Entgegen dem Kabinettsentwurf wird die Begrenzung des Kreises der Antragsteller wegfallen. Maßgeblich ist nicht mehr, wer den Antrag stellt, sondern ob das Fördervorhaben den Förderkriterien des Fonds entspricht. Dies gilt für Fördervorhaben sowohl im Rahmen neuer Versorgungsformen als auch im Bereich der Versorgungsforschung. Neu ist auch, dass es einen Expertenbeirat bei dem zu gründenden Innovationsausschuss geben wird. Wenn die stimmberechtigten Mitglieder des Innovationsausschusses („Bänke“ im G-BA, unparteiischer Vorsitzender des G-BA und Vertreter des Gesundheits- sowie des Bildungs- und Forschungsministeriums) vom Votum des Beirates abweichen wollen, müssen sie dies schriftlich begründen. Offensichtlich will der Gesetzgeber damit dem Vorwurf evtl. vertretener Eigeninteressen durch die vertretenen Krankenkassen und der Leistungserbringer im G-BA entgegenwirken. Es wird zu beobachten sein, ob der Expertenbeirat den Anspruch an die wissenschaftliche Begründung des Modells höher setzen wird als die versorgungspraktische Expertise. Ferner sollen die vom Innovationsfonds geförderten Projekte veröffentlicht werden, z. B. im Internet. Diese Entscheidungen sehen wir als sehr positiv, auch wenn Helmut Hildebrandt in seinem Whitepaper von 2008 „Anreize für Forschung und Entwicklung für Versorgungs- und Systeminnovationen im Gesundheitswesen“ ein Modell vorgeschlagen hatte, das eher dem vom IGES-Institut und der DAK vorgetragenen Modell entspricht (vgl. hier). Eine finale Bewertung kann aber erst dann stattfinden, wenn der damit beauftragte Innovationsausschuss beim G-BA die Förderkriterien und das Förderverfahren festgelegt hat. Dies wird für die zweite Jahreshälfte erwartet.

Reichen die Fördermittel aus?

Unsere generelle Kritik bleibt aber: Reichen die jährlich angedachten 300 Mio. Euro für Versorgungsprojekte und -forschung aus, um die auch im Gesundheitswesen notwendigen Investitionen zu finanzieren? Erinnern wir uns: In den Jahren 2004 bis 2008 stand für die Anschubfinanzierung der Integrierten Versorgung ein Vielfaches an Finanzmitteln zur Verfügung. Zudem sieht das Gesetz vor, das nicht verausgabte Fondsmittel an den Gesundheitsfonds und die Kassen zurückfließen sollen. Mit der Folge, dass Mittel verfallen können und die Fondssumme weiter schmälern. Zusätzlich sind die Anforderungen an die Antragsteller anspruchsvoller. Die Förderanträge müssen ihre Evaluationsplanung als auch die Art des beabsichtigten Transfers in die Regelversorgung bereits bei Antragstellung darstellen, der Expertenbeirat könnte den Anspruch an die wissenschaftliche Begründung des Modells höher setzen als die versorgungspraktische Expertise.

Aus der versorgungspraktischen Erfahrung nicht nachvollziehbar bleibt die zeitliche Befristung des Fonds auf die Jahre 2016 bis 2019. Hier will der Gesetzgeber den wissenschaftlichen Zwischenbericht im Frühjahr 2019 und den Abschlussbericht im Frühjahr 2021 abwarten. Es bleibt allerdings offen, ob und wie in einer so kurzen Zeitspanne die Projekte beispielsweise eine Kosten-Nutzen-Wirksamkeit als Voraussetzung für eine Fortführung bzw. Übernahme in die Regelversorgung nachweisen sollen. Denn die hierfür notwendigen GKV-Routinedaten liegen nur mit erheblicher zeitlicher Verzögerung vor; es könnten damit zum Zeitpunkt des Zwischenberichtes, Frühjahr 2019, nur die Interventionen des Jahres 2016 / 2017 bewertet werden.

Mehr Freiheiten in der Vertragsgestaltung

Reformiert wurde auch der neue §140a SGB V, in dem zukünftig Integrierte Versorgungsverträge, Facharztverträge und Strukturverträge unter der Bezeichnung „Besondere Versorgung“ zusammen geführt werden. Der Bundestag hat vor allem Klarstellungen gegenüber dem Kabinettsentwurf vorgenommen, u. a. die Möglichkeit, add-on-Leistungen zu erbringen. Im neuen §140a finden sich einige sinnvolle Anpassungen und Angleichungen bei den Selektivverträgen (wobei die hausarztzentrierte Versorgung weiterhin einen eigenen Paragrafen behält), unter anderem im Bereinigungsverfahren. Der neu formulierte §140a wurde deutlich entschlackt und ermöglicht mehr Freiheiten in der Vertragsgestaltung. So können die gerade in der Schnittstellen- und Prozessoptimierung wichtigen Managementaufgaben Vertragsgegenstand werden und auch Versorgungsaufträge, die sich auf den ambulanten Sektor beschränken, werden möglich. Die Wirtschaftlichkeit der Verträge muss dem BVA nicht mehr nach einem Jahr nachgewiesen werden, vielmehr muss diese vier Jahre nach Wirksamwerden der Verträge „nachweisbar“ sein. Zu fragen ist, ob der Wirtschaftlichkeitsnachweis in den Zeiten eines intensiven Kassen-Wettbewerbs überhaupt notwendig ist? Zudem müssen die Verträge zur Besonderen Versorgung den Aufsichtsbehörden nicht mehr vorab zur Genehmigung vorgelegt werden; vielmehr haben die Aufseher künftig ein nachträgliches Aufsichtsrecht, wonach sie Vertragsänderungen bis zu Vertragskündigungen durchsetzen und gegebenenfalls ein Strafgeld verhängen können.

Zusätzliches Regionalbudget wäre sinnvoll

Das GKV-VSG ist ein notwendiger Schritt hin zur Veränderung der GKV in Richtung Innovation. Die Entbürokratisierung der Vertragsgestaltung und -durchführung sowie die Erweiterung des Leistungsumfangs können Impulse geben. Ob die Investitionslücke für innovative Versorgungsformen mit den Mitteln des Innovationsfonds alleine geschlossen werden kann, muss aber bezweifelt werden. Für eine nachhaltige und dauerhafte Finanzierung von neuen Versorgungsformen sollten auch weitere neue Wege, z. B. ein Regionalbudget für regionale Einheiten, angedacht werden.