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16. Dezember 2021

Vom Pflegeheim ins Krankenhaus: Fast 35 Prozent der Einweisungen sind potenziell vermeidbar

Wenn ältere Patient:innen aus dem Pflegeheim ins Krankenhaus kommen, besteht immer die Gefahr, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert – sei es durch die psychische Belastung, Infektionen oder zu lange Immobilisation. Viele Einweisungen wären durch eine effektive und frühzeitige Versorgung im Pflegeheim vermeidbar, das zeigen die Ergebnisse des Innovationsfonds-Projekts „Bedarfsgerechte Versorgung von Pflegeheimbewohnern durch Reduktion Pflegeheim-sensitiver Krankenhausfälle“. Sie wurden am 9. Dezember 2021 bei einem Online-Symposium vor knapp 100 Zuschauern präsentiert. Projektpartner sind die Universität Witten/Herdecke, die OptiMedis AG, der Forschungs- & Innovationsverbund an der Evangelischen Hochschule Freiburg e.V. sowie Pflege e.V.
Projektpartner entwickeln Katalog von Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfällen

Pflegeheim-sensitive Krankenhausfälle, kurz PSK, sind Fälle, die unter guten Bedingungen ohne Krankenhauseinweisung im Pflegeheim behandelt werden könnten. Die Projektpartner haben im Laufe des Projekts zunächst analysiert, mit welchen Diagnosen Pflegeheimbewohner:innen am häufigsten eingewiesen werden und welche vermeidbar wären. Auf Grundlage dieser Daten wurde unter Einbindung von über 100 Fachexpert:innen ein Katalog von 58 PSK mit dem jeweiligen Präventionspotenzial konsentiert.

Hohes Präventionspotenzial durch strukturelle Veränderungen
Prof. Sabine Bohnet-Joschko. Foto: Universität Witten/Herdecke

Die Ergebnisse der Sekundärdatenanalyse von sechs Krankenkassen aus dem Jahr 2017 sind eindrücklich: Die 58 PSK machen über 40 Prozent aller Krankenhausfälle bei Pflegeheimbewohner:innen aus, das sind insgesamt 270.000. Dadurch entstehen Kosten in Höhe von fast 1 Milliarde Euro (951,7 Millionen). „Würden strukturelle und sektor­enübergreifende Interventionen und Maßnahmen eingeführt, die die Versorgung in Pflegeheimen optimieren, ließen sich dadurch 220.000 Krankenhauseinweisungen verhindern, die mit Ausgaben von mehr als 750 Millionen Euro verbunden sind“, betonte Prof. Sabine Bohnet-Joschko, Projektleiterin und Inhaberin des Lehrstuhls für Management und Innovation im Gesundheitswesen an der Universität Witten/Herdecke, bei der Vorstellung der Ergebnisse. „Die notwendigen Investitionskosten für strukturelle Veränderungen würden durch Minderausgaben refinanziert“, so Maria Valk-Draad, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt.

Handlungsempfehlungen zeigen Interventionsmöglichkeiten auf
Maria Valk-Draad. Foto: Universität Witten/Herdecke

Welche strukturellen Maßnahmen und Konzepte sich eignen, um PSK in Zukunft zu vermeiden, haben die Projektpartner in mehreren Fallbeispielen sowie Handlungsempfehlungen zusammengeführt. Dr. Oliver Gröne, stellvertretender Vorstandsvorsitzender von OptiMedis, sagte: „Die von uns gemeinsam mit Fachexperten entwickelten Handlungsempfehlungen zeigen auf, wie Pflegeheimbewohner:innen unnötige und belastende Krankenhausaufenthalte erspart werden könnten. Sie beziehen sich zum Beispiel auf Infrastruktur und interne Prozesse in Einrichtungen, Kooperations- und Kommunikationsstrukturen sowie rechtliche Rahmenbedingungen und Vergütungsstrukturen.“

Datenquellen

Die anonymisierten Daten für die Sekundärdatenanalyse lieferten folgende Gesetzliche Krankenversicherungen: AOK Rheinland/Hamburg, AOK-Baden-Württemberg, AOK-Rheinland-Pfalz/Saarland, BARMER, DAK-Gesundheit und BKK Werra-Meissner.

Dr. Oliver Gröne. Foto: OptiMedis
Wichtige Links

Die Studie zum PSK-Projekt, die aktuell im öffentlichen Review-Prozess auf der Open Research-Plattform „F1000-Research“ ist, sowie der Katalog der Pflegeheim-sensitiven Krankenhausfälle sind hier abrufbar.

Alle weitere Ergebnisse wie Handlungsempfehlungen, Fallbeispiele und ein Online-Tool zur Visualisierung der PSK-Fälle für Deutschland werden demnächst auf der Projektwebseite www.pflegeheim-sensitive-krankenhausfaelle.de veröffentlicht.

Zu dieser Meldung ist auch eine Pressemitteilung erschienen.

Pressekontakt Universität Witten/Herdecke

Univ.-Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko
Lehrstuhl für Management und Innovation im Gesundheitswesen
Universität Witten/Herdecke
E-Mail: psk@uni-wh.de

Dieses Projekt wird mit Mitteln des Innovationsausschusses beim Gemeinsamen Bundesausschuss unter dem Förderkennzeichen 01VSF18026 gefördert.